Der Peter-und-Paul-Ornat
Festtagsgewänder für die Kirche
Wohl zum ersten Mal seit fünfzig Jahren wurde am Peter-und-Paul-Fest ein besonderes Gewandstück benutzt. Der goldschimmernde Chormantel (Pluviale) gehört zum Festornat der Kirche. Pfarrer Dr. Krzysztof Sierpien trug ihn zur Wort-Gottes-Feier am 29. Juni 2023.
Die meisten vor der Liturgiereform gebauten Kirchen besitzen einen auf das Patronatsfest abgestimmten Ornat für das „levitierte Hochamt“, der traditionell aus einer Casel (Messgewand für Priester), zwei Dalmatiken (Messgewand für Diakon und Subdiakon) und einem Chormantel besteht. Dazu kommen Stolen, Manipel, Kelchvelum und Bursa sowie ein Segensvelum. Entsprechend der liturgischen Farbe des Patronatsfestes (rot für Märtyrerfeste, weiß für Bekenner- oder Marienfeste) ist auch der Ornat gestaltet. Dabei kann Gold für beide dieser festlichen Farben stehen. Auch die sonstige Dekoration der Gewandstücke nimmt oft Bezug auf die Titelheiligen der jeweiligen Kirche.
Bildsprache
Der Dettinger Ornat ist – obwohl die Form der Casel noch ganz traditionell erscheint (eine sogenannte «Bassgeige») – ausgesprochen modern und passt damit ausgezeichnet in die Dettinger Kirche. In den Brokatstoff sind kleine Spiralen als regelmäßiges Muster eingewebt. Stickerei und Borten sind geradezu bunt und zuweilen aus komplementären Farben zusammengesetzt.
Die Rückenansicht der Casel war beim levitierten Hochamt, das der Priester mit Blick zum Altar zelebrierte, für die Teilnehmer am Gottesdienst gut zu sehen. Im Zentrum des Caselkreuzes ist ein detailreich gesticktes Doppelporträt der Apostelfürsten angebracht. Es zeigt Petrus und Paulus als Ganzkörperfiguren in ihrer typischen Ikonographie: Petrus grauhaarig mit kastenförmigem Bart, Paulus mit Stirnglatze und langem Philosophenbart. Sie tragen ihre Attribute, die gekreuzten Schlüssel und das Schwert in Händen. Paulus zeigt darüber hinaus noch eine geöffnete Schriftrolle, während Petrus die Rechte zum Segen erhoben hat. Ferner ist das Caselkreuz mit zahlreichen Kreuz-Stickereien und dem Schriftzug «St. Petrus, St. Paulus orate pro nobis (bittet für uns)» versehen. Der Caselstab auf der Vorderseite zeigt ein ähnlich asymmetrisches Kreuzesmuster.
Dieses ziert auch den Besatz des Chormantels. Daneben sind weitere Symbole angebracht: Der Hahn und die hinter der Tiara (Papstkrone) gekreuzten Schlüssel für Petrus, das Schwert sowie Märtyrerpalme und -krone für Paulus. Darüber prangen die gestickten Inschriften «St. Petrus bzw. St. Paulus ora pro nobis».
Eine besondere Stickerei zeigt die Cappa auf der Rückenpartie. Dort ist die Bekehrungsszene Pauli vor Damaskus dargestellt. Der wie ein römischer Soldat gekleidete Paulus stürzt unter Palmen zu Boden und wird von einem Lichtstrahl getroffen. In ihm erkennt er Christus, der ihn fragt «Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?»
Anschaffung
Entworfen wurde der Ornat von Josef van Heekern (1900–1959), einem Maler und Paramentenkünstler. Laut Ausweis der Kirchenrechnung wurde er nicht zeitgleich erworben. Zunächst gelangte 1929 der Chormantel aus der Oberammergauer Paramentenwerkstätte für 1260 Mark nach Dettingen. 1932 lieferte dann Emil Frankenberger aus Frankfurt die zugehörige Casel für 380 Mark. Das wären nach heutiger Kaufkraft etwa 6000 bzw. 1850 Euro.
Der zeitversetzte Ankauf ist wohl auch der Grund dafür, dass der Ornat nicht vollständig ist. Ein passendes Segensvelum gab es wohl nie in Dettingen. Die Dalmatiken folgen einem anderen Design. Sie sind in rotem Samt gehalten. Das eingeprägte Spiralmuster entspricht allerdings dem Brokatstoff von Casel und Pluviale. Möglicherweise war das auch der Grund für die Anschaffung im Jahre 1954. Von den damals für 230 DM besorgten Dalmatiken ist heute nur noch eine vorhanden.
Ein zweiter Ornat
Dieses ästhetische Manko bewog Pfarrer Edmund Roeser ein Jahr später 1955 einen neuen goldenen Ornat anzuschaffen. Er bestand aus Casel (nun im heute üblichen gotischen Schnitt), zwei Dalmatiken, Pluviale und Segensvelum, dazu Stolen, Manipel, Kelchvelum und Bursa sowie eine Messbuchpultdecke. Die ansonsten eher neutrale Dekoration zeigt auf dem Caselrüchen eine Dreifaltigkeits-Symbolik. Der Dreifaltigkeitssonntag galt lange als höchster der (gewöhnlichen) Sonntage. Man nannte ihn im Volksmund den «güldenen» Dreifaltiggeitssonntag. Daher wohl auch die goldene Farbe, die hier also entsprechend der Festfarbe als weiß zu klassifizieren wäre.
Leider sind beide Ornate – bzw. einzelne Gewandstücke daraus – kaum noch in Gebrauch. Doch auch die Schönheit und Wertigkeit der Gewänder unterstreicht den festlichen Charakter der Liturgie und vermag die Seele zu Gott zu erheben (vgl. Ps 24).
Originalbeitrag von Michael Pfeifer