Patronale
Kirchenpatrone für zuhause
Es ist ein kleines Kunstwerk aus Terrakotta. Das künstlerisch gestaltete Relief wurde eigens für Dettingen entworfen. Es zeigt die Kirchenpatrone Petrus und Paulus – etwa in der Form, die Ihnen Paul Seiler in den monumentalen Portalfiguren unserer Kirche gab – und ein Modell der Kirche zu ihren Füßen.
Patronalia waren weit verbreitet in deutschen Pfarrgemeinden. Sie finden sich in Schlesien und in Freiburg, im Rheinland und in Bayern. «Erfunden» hatte sie der Frankfurter Sankt-Georg-Verlag, der sich der katholischen Brauchtumspflege verschrieben hatte und gleichzeitig gegen den vorherrschenden religiösen Kitsch zu Felde zog. Er vertrieb die Patronalia ab Mitte der 1930er Jahre. Hergestellt wurden sie in der Karlsruher Majolika-Manufaktur.
Das Dettinger Patronale stammt aus dem Jahr 1936. Noch in den 1940er Jahren wurde es als Erinnerung an die erste heilige Kommunion verschenkt. Emil Hofmann – Kommunionjahrgang 1942 – erinnert sich. «Wir gingen kriegsbedingt am Ostersonntag zur Erstkommunion. Am Montag beim Dankgottesdienst lagen die Patronalia aufgereiht auf dem Altar und Pfarrer Dümler überreichte jedem von uns ein Exemplar.» Auch zwei Jahre später erhielten die Kommunionkinder in Dettingen – unter ihnen Wilma Pepperle geb. Geibig, Albert Scherer und Rigobert Hockmüller – jeweils ein Patronale als Geschenk. Bedenkt man, dass ein Kommunionjahrgang damals leicht vierzig Kinder zählte, betrug die Dettinger Auflage vermutlich mindestens 200.* Nimmt man die Seriennummern der bisher bekannten Patronalia ernst, die bis in vierstellige Bereiche gehen, müssen in Deutschland mehrere Hundertausend solcher Reliefs existiert haben.
Ein seltsamer Kirchturm
Auffällig ist, dass das Modell der Dettinger Kirche nicht den charakteristischen Kirchturm mit Zinnenkranz und mittiger Fiale zeigt, sondern ein massiges Gebäude mit halbrundem Portal. Handelt es sich wirklich um die Dettinger Kirche?
Schon ein Jahrzehnt nach der Einweihung bat Pfarrer Hugo Dümler den Architekten Dominikus Böhm und eine Veränderung des Turms. Die Glocken seien im Dorf nicht zu hören, klagte er. Der Turm solle höher und massiger werden. Böhm entwickelte einen Plan, nach dem der Turm fast bis zur Straße vorgezogen und deutlich aufgestockt werden sollte. Der Architekt ergriff die Gelegenheit, im Zuge des Turmumbaus auch eine Taufkapelle anzugliedern, ein Rundbau, der von der rechten Beichtkapelle abzweigen sollte. Die Pläne waren von der Kirchenverwaltung beschlossen und gewissermaßen «in trockenen Tüchern». Der Umbau war beschlossenen Sache. Daher sah man auch keinen Sinn darin, das Patronale 1936 noch mit dem alten Turm zu gestalten – wäre er doch ohnehin bald Geschichte.
Es kam anders. Die zuständige Genehmigungsbehörde im Bezirksamt Alzenau untersagte die Ausführung mit Verweis auf den beginnenden Krieg. So ist das Patronale zu einem Zeugnis für einen fast realisierten Umbauplan geworden, der bezüglich des Turms glücklicherweise nicht zustande kam. Während der geplante neue Turm Ähnlichkeiten mit anderen Böhmkirchen im Rheinland aufweist, ist der Dettinger Turm von 1923 einzigartig. Der Gedanke an eine Taufkapelle wurde im Vorfeld des Pfarrheimbaus nochmals erwogen. Stets hatte Böhm dem kantigen Turmbau einen Rundbau als Gegengewicht geben wollen. Doch das Zeitfenster schloss sich, ohne dass von dieser gestalterischen Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde. Der Architekt des Pfarrheims entschied sich, die Fassade der Kirche ein zweites Mal etwas verkleinert daneben zu stellen. Ein Rundbau in der Nachbarschaft von St. Peter und Paul fehlt bis heute.
Großwelzheim
Die Großwelzheimer Kirchenrechnung von 1936 weist einen Betrag von 173,50 Mark für die Anschaffung von Patronalia (zuzüglich 3,55 Mark für Fracht) aus. Bedenkt man, dass der Verlag ab einer Auflage von 100 Exemplaren 1,80 bis 3 Mark berechnete, muss die Auflage hier etwa 100 Stück betragen haben. Leider gibt es bislang keinen Nachweis für ein Großwelzheimer Bonifatius-Patronale. Möglicherweise wurde auch ein Standard-Heiligenbild aus dem Sortiment des Verlages als Kommuniongeschenk beschafft und kein eigener Entwurf für Großwelzheim gefertigt. Beliebt war hierfür der hl. Pankratius als Patron der Erstkommunionkinder.
Anmerkungen
* Jüngste Nachforschungen in der Auftragsbüchern der Majolika-Manufaktur Karlsruhe bestätigen diese Vermutungen. Bereits am 6. Februar 1936 wurden 210 Peter-Paul-Patronalia mit der Seriennummer 39 an den St.-Georg-Verlag ausgeliefert und mit 150 Mark bezahlt.
Originalbeitrag von Michael Pfeifer