Ansichtskarten als baugeschichtliche Quelle
Am Beispiel von St. Peter und Paul in Dettingen
Seit 1897 erschienen in Dettingen etwa 150 Ansichtskarten. Eines der Hauptmotive der frühen Zeit war die Hippolytkirche. Ab 1923 wurde sie – auch auf den Ansichtskarten – abgelöst durch die Pfarrkirche St. Peter und Paul. Man war sich bewusst, mit dem Neubau von Dominikus Böhm und Martin Weber ein außergewöhnliches Bauwerk am Ort zu besitzen.
Etliche Veränderungen am Außenbau und im Umfeld der Kirche lassen sich an den Ansichtkarten gut ablesen.

Rund um die Einweihung der Kirche am 1. Juli 1923 fertigte der Aschaffenburger Fotograf Christel Hartmann eine Serie von 16 Ansichtskarten. Das Foto zeigt den Bau kurz vor seiner Vollendung: Der Kirchenvorplatz ist noch nicht verfüllt, nur der Zugangsweg von der Treppenanlage zum Portal ist befestigt. Das Portal selbst ist in die Fassade eingezogen. Auch die ursprüngliche Kirchentür ist zu erkennen (s. Abb. 9).


Das Bild zeigt das ursprüngliche Straßenniveau, von dem fünf Stufen zum Kirchenvorplatz führten sowie die vorspringende Ecke der Einfriedung an der Luitpoldstraße.


Die Perspektive aus Norden zeigt den zwar umzäunten, aber noch nicht ummauerten Pfarrgarten. Bei genauem Hinsehen ist im Turm auch das Fenster zum Emporenaufgang zu erkennen. Dieses war ursprünglich mit einem Ziegelmuster vergittert, wie es heute noch auf der Südseite zu sehen ist.


Der Turm ist fast vollständig bewachsen, auch weite Teile der Südwand. Interessant sind die drei geöffneten Dreiecksfenster im rückwärtigen Teil des Obergadens. Diese Fenster lassen sich seit dem Emporenumbau 1961 nicht mehr öffnen. Die Portalzone ist noch im Originalzustand. Links von der Eingangstür ist eine Kugelleuchte angebracht worden.


Die Aufnahme aus dem Winterhalbjahr zeigt den Bewuchs ohne Laub. Auf beiden Seiten des Eingangsportals wurden inzwischen Schaukästen montiert und dem Eingang eine Wintertür (in einer Linie mit der Fassade) vorgeblendet. Dies geschah ausweislich der Rechnungen 1943.
Auch die Fahnenstangen rücken zusammen und stehen nun näher am Eingang.


Gut zu erkennen ist die Mauer, die den Pfarrgarten einfriedet. Sie hat inzwischen den Zaun abgelöst. Der Vorplatz ist noch nicht durchgehend gepflastert und befindet sich noch im Zustand von 1923. Allerdings hat sich das Straßenniveau inzwischen gehoben. Nurmehr drei Stufen führen von dort zum Kirchenvorplatz.
Das Fenster an der rechten (nördlichen) Seite des Turmes hat sein Ziegelsteingitter verloren. Es ist im Zuge des Emporenumbaus ausgebrochen worden.



Das Foto entstand von erhöhter Position und bietet damit einen besonderen Blick auf den Kirchenvorplatz. Dieser war 1965 zur Entstehungszeit der Aufnahme noch nicht durchgehend gepflastert. Stattdessen zog sich ein Weg von der Treppe zum Portal, der mit Natursteinplatten belegt war und durch ein Ziegelband begrenzt wurde. Rechts und links davon befand sich eine wassergebundene Deckschicht, was sich auch an Wasserpfützen erkennen lässt. Es handelt sich demnach um den bauzeitlichen Zustand, denn auch die Fotos von der Zeremonie an der Kirchentür im Rahmen der Weiheliturgie zeigen diese Situation.
1961 wurde die Portalzone (und die Empore) vollständig umgebaut. Der Eingang wurde in eine Flucht mit der Fassade verlegt und stattdessen ein Windfang im zeitgenössischen Stil davor gesetzt. Die Wintertür von 1943 und die originale Kirchentür von 1923 verschwanden. Letztere lagerte noch etliche Jahrzehnte auf der Nordseite der Kirche, ist heute aber verloren (s. Abb. 9).
Offenbar wurde ein weiterer Schaukasten an der Fassade montiert.
Interessant ist ferner, dass eine Kirchenbank an der rechten Turmseite steht. Die Bänke wurden zu dieser Zeit neu gefertigt. Man griff dabei zwar auf die Formgebung Böhms zurück, entschied sich aber für weniger wuchtige Ausführung (die Stuhlwangen waren nunmehr halb so dick) und eine helleren Farbgebung. Die Originale von 1923 waren dunkel gebeizt und fast schwarz. Bis zur Generalsanierung der Hippolytkirche 2007–09 fanden sich noch einige originale Böhm-Bänke aus den Seitenschiffen der Pfarrkirche im Seitenschiff der Hippolytkirche.


Der Kirchenvorplatz ist nun einheitlich gepflastert. Die Ecke der Kirchenmauer läuft nicht mehr spitz zu, sondern ist abgeschrägt und mit einem Wasserabfluss versehen.

Die bislang einzige Ansichtskarte der Kirche, der ein echtes Farbfoto zu Grunde liegt, stammt erst aus dem Jahr 1995. Darauf erkennbar ist die 1988 abermals geänderte Portalzone, die zwar auf den unpassenden Windfang von 1961 verzichtet, aber leider wenig Rücksicht auf den originalen Befund von 1923 genommen hat.
Der einheitliche Belag des Vorplatzes wurde wieder aufgegeben für eine klare Wegführung von der Treppe zum Portal. Dabei wurden allerdings andere Materialien verwendet als dies 1923 der Fall war.
Anmerkung
* Die Abbildungsnummern beziehen sich auf das Buch Dettingen im Spiegel alter Ansichtskarten.
Originalbeitrag von Michael Pfeifer in Ergänzung zu:
Dettingen im Spiegel alter Ansichtskarten