Michael Pfeifer erlebt die Kirche seit etwa 1971. Als Ministrant und Organist verbrachte er viele Stunden in dem Raum. Er versteht sich als «Denkmalpate», als Anwalt des denkmalgeschützten Bauwerks.

Bereits 1998 – zum 75-jährigen Jubiläum – dokumentierte er in nachfolgendem Buchbeitrag die Veränderungen, die die Kirche seit ihrer Einweihung erfuhr. Zahlreiche verstreute Einzelinformationen wurden seinerzeit erstmals zusammengetragen – nicht zuletzt, um bei Renovierungsvorhaben Kenntnisse über den Originalzustand zu haben.

Inzwischen hat sich viel getan. 2005 gelang die Restaurierung der Raumschale mit den großartigen Wandbildern von Reinhold Ewald. Auch die Geschichte der Altäre ist umfassend dokumentiert. Weitere Veränderungen wurden in nachfolgendem Beitrag eingefügt (farbig und kursiv hervorgehoben).

An diesen Erkenntnissen sollten künftige Weiterentwicklungen von Inventar und Bausubstanz nicht vorbeigehen.

Michael Pfeifer

Semper reformanda

75 Jahre Veränderungen

Eine Kirche ist kein Museum, in dem schon bei der kleinsten Manipulation die Alarmanlage ansprechen kann. Ein Kirchenraum dient in erster Linie der Gemeinde, die sich hier versammelt. Ihr Tun, ihr Beten also, ihr Feiern, ihr Gedenken und ihr gemeinsames Bekenntnis des Glaubens ist sein Maß. Architektur und Einrichtung sind insofern dienend, als sie den Anforderungen an die Nutzung entsprechen müssen. Doch ist der Raumbedarf der Liturgie keineswegs statisch. Bestimmte Gottesdienste benötigen Veränderungen der Raumordnung: Bei einer Andacht wird eine Kniebank für den Vorbeter aufgestellt, bei feierlicher Konzelebration benötigt man mehr Sitze im Altarraum, bei einer Hochzeit Stühle für das Brautpaar, und der Platz für Musiker wird nicht selten erst geschaffen, indem die Sitzbänke verstellt werden. Neben solch punktuellen Variationen werden auch im Ablauf des Kirchenjahres zeitweilige Veränderungen im Raum vorgenommen: An Weihnachten stellt man eine Krippe auf, in der Passionszeit werden die Kreuze verhüllt, an den Kartagen gibt es mancherorts ein „Heiliges Grab“, bis Pfingsten steht die Osterkerze im Altarraum oder Bilder der Gottesmutter oder anderer Heiliger werden besonders geschmückt.

Über solche temporären Eingriffe in die Raumkonstellation hinaus verändern sich manche Raumansprüche so dauerhaft, daß ein regelrechter Umbau nötig wird. Neue Bauteile kommen hinzu, andere werden überflüssig, nicht mehr oder anders genutzt und schließlich ganz entfernt. Auf diese Weise ist eine Kirche immer auch Zeugnis des Glaubenslebens der Gemeinde vor Ort, die den Raum mit Leben füllt und nicht zuletzt durch Anpassungen zu ihrem eigenen macht.

Die wichtigsten Veränderungen, die die Dettinger Kirche in ihrer nunmehr 75jährigen Geschichte erfuhr, werden nachfolgend skizziert. Manche Information zur Ausstattung, die heute noch zugänglich ist, soll damit vor dem Vergessen bewahrt werden. Vollständigkeit konnte bei der Fülle des Materials allerdings nicht erzielt werden.

 

 

Farbe

Die erste nachweisbare Veränderung läßt sich bereits für das Jahr 1926 ausmachen. Bereits drei Jahre nach der Weihe der Kirche wurden die Wände und Stützen getüncht.[1] Die ursprüngliche Musterung der Pfeiler ging bereits zu diesem Zeitpunkt verloren, konnte aber Anfang der sechziger Jahre wieder hergestellt werden. Restauratorische Voruntersuchungen haben 1997 Indizien für die originale Farbgebung der Raumschale erbracht. Dunkelgraublaue Sockelzonen für Wand und Pfeiler heben sich von helleren Tönungen in den oberen Bereichen ab. Die Dachbalken und die treppenartig spitz zulaufenden Arkaden bei den Beichtkapellen sowie der in gleicher Weise gefertigten Obergadenfenster waren in Ocker gehalten. Der Chorbogen war mit Gold bronziert und an den Brüstungen der Sängeremporen ließen sich blaue Farbtöne nachweisen.[2] Diese vielfarbige Fassung wurde vermutlich bereits 1926 stark vereinfacht.[3] Auch die Muster, die sich bis dahin zwischen den Bildern des Marienlebens befanden, gingen verloren (s. Abb. S. 74). Möglicherweise ist die neue Farbfassung des Kirchenraumes auf Veranlassung Reinhold Ewalds zurückzuführen, der zu diesem Zeitpunkt die Arbeiten an den Kreuzwegbildern abgeschlossen haben dürfte.[4] Die heute sichtbaren hellblauen und beigen Töne lassen zusammen mit der unterschiedslos weißen Wandfarbe die ursprüngliche Farbenfreude nicht mehr erahnen.

Bei der Restaurierung der Raumschale 2005 entschied man sich für eine teilweise Wiederherstellung des Ursprungszustandes. Verzichtet wurde auf die dunkle untere Wandzone und die Blaufärbungen an den Sängeremporen. Die Vergoldung des Chorbogens erfolgte aus Kostengründen mit Schlagmetall, das inzwischen stark nachgedunkelt ist.

Eine Änderung des Farbeindrucks der Kirche geschah auch durch die Anfertigung neuer Kirchenbänke in den sechziger Jahren. Formal gehen sie auf Entwürfe Böhms zurück, der ihnen allerdings massigere Wangen und einen dunklen, fast schwarzen Farbton zudachte.[5] Die dunkle untere Ebene wirkte somit als Fundament für eine Halle, die durch Bilder und farbige Gestaltung emporzog.

 

Portal

Den häufigsten Veränderungen wurde der Eingangsbereich der Kirche unterworfen. Ursprünglich war die Kirchentür um etwa einen Meter nach innen versetzt, zudem etwas niedriger als der heutige Eingang. Es ergab sich dadurch eine Portalrahmung, die durch Ziegelsteine akzentuiert wurde. Ebenfalls durch Ziegelmauerwerk wurde im Zentrum des Türsturzes ornamental ein Schlußstein nachgeahmt, der sich dreigliedrig bis zum nächsthöheren horizontalen Ziegelband emporzog. Anhand der Fotos, die im Rahmen der Einweihungszeremonie angefertigt wurden, läßt sich die ursprüngliche Portalanlage recht präzise rekonstruieren (s. Abb. S. 48f). Jedoch kann die Frage nach den seinerzeitigen Türblättern nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden. Die senkrechte Gliederung, die man auf manchen Fotos zu erkennen glaubt, könnte auf eine Analogie zu den original erhaltenen Türen der Seiteneingänge hindeuten. Spätestens im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Altars 1932 wird die Holztür mit diagonalen Auflattungen angebracht worden sein. Entsprechende Entwürfe fanden sich 2004 im Historischen Archiv der Stadt Köln. Links oberhalb des Portals wurde eine kugelförmige Leuchte montiert und die Türblätter zierten fortan zwei Löwenköpfe. Böhm hatte diese Bronzegußarbeiten bereits für die Offenbacher Notkirche anfertigen lassen. Später verwendete er sie auch auf den Türflügeln der 1926 in Neu-Ulm errichteten St.-Johann-Baptist-Kirche. Da sie in Dettingen höchstwahrscheinlich nicht von Anfang an montiert waren, muß offen bleiben, ob es sich um Abgüsse oder gar um die Neu-Ulmer Exemplare handelt. [6]

Der so gestalteten Eingangstür wurde später ein weiteres Türblatt vorgeblendet. Es befand sich in einer Front mit der Außenwand des Turms und beraubte den Eingangsbereich somit des nach innen führenden Portals als Architekturattribut.

Der Emporenumbau des Jahres 1961 brachte eine weitere einschneidende Veränderung. Das eingezogene Portal wurde abgebrochen und gewissermaßen nach außen gestülpt, indem der Front ein Kubus aus Plexiglas als Windfang vorgebaut wurde.[7] Nun stand das gesamte Untergeschoß des Turmes zur Verfügung und konnte neben dem Treppenaufgang zur Empore auch einen Andachtsort aufnehmen. Bedingt durch das Absenken der Orgelbühne belichteten die seitlichen Turmfenster nun aber nicht mehr das Erdgeschoß, sondern das erste Stockwerk des Turmes.

Um mehr Licht aus dem Kirchenschiff in den Eingangsraum gelangen zu lassen, ersetze man die originale Pendeltüre, die den Turmraum vom Hauptschiff trennt und zunächst ein feines Rautenmuster aufwies (s. Abb. S. 14), durch eine Holztür mit größeren Glasflächen.[8]

Diese Fassung des Eingangsbereiches hatte mehr als 25 Jahre Bestand. Der dem äußeren Erscheinungsbild der Kirche nicht eben zuträgliche Glaskubus wurde schließlich 1988 entfernt und abermals eine neue Tür, diesmal aus Kupfer, angeschafft. Sie füllte nun nicht die gesamte Portalhöhe, sondern ließ Platz für ein Oberlicht zur Beleuchtung des Vorraumes. Die verloren geglaubten Löwenköpfe wurden von den erhaltenen Türflügeln auf die neuen verbracht.[9] Neuerlich aber wurde dem originalen Befund keine Bedeutung beigemessen und das Portal mit bossierten Sandsteinprofilen verblendet. Selbst die Widmungssteine rechts innen im Portal brach man heraus und brachte sie im Turmraum museal an, da sie andernfalls hinter der Verblendung verschwunden wären. Auch die Pendeltüre zum Hauptraum wurde abermals ersetzt.

Spürbar bei dieser letzten Veränderung ist der Wunsch, den seit dem Emporenumbau sehr dunklen Vorraum stärker zu belichten, um ihn etwa zur Präsentation von Informationen nutzen zu können. Böhms Plan hingegen versteht den Vorraum als Einstimmung auf den Weg, den der Eintretende vor sich sieht: aus dem Dunkel des Alltags zum lichten Altar. Während der Vorraum sein spärliches Licht ursprünglich von den Seiten erhielt, flutet durch das neue Fenster über der Tür heute massiv Tageslicht in den Vorraum und beleuchtet ihn stärker als die nächste Zone auf dem Weg nach vorn. Hier hat unsensibles Ändern der von Böhm und Weber intendierten „Steigerung der räumlichen Wirkung mit der bestimmten und ausdrücklichen Richtung nach dem Hochaltar“[10] spürbaren Schaden zugefügt.

 

Empore

Auch durch den Emporenumbau 1961 verschwand eine gelungene architektonische Lösung. Abgetreppte Spitzarkaden – analog denen, die die Beichtkapellen von den Seitenschiffen trennen – hatte Böhm unter- und oberhalb der Empore konzipiert. Sie selbst schob sich mit drei flachdreieckig vorragenden Brüstungen mit Rautenmuster zwischen den Pfeilern in den Kirchenraum. Der unbezweifelbare architektonische Reiz dieser Anlage stand leider in keinem Verhältnis zu den akustischen Problemen, die sich dadurch für die Orgel ergaben.

Daher wurde 1961 die Empore abgesenkt und gleichsam als Querriegel in den Raum vorgezogen. Die unteren Arkaden verschwanden und die Brüstung wurde ohne Rücksicht auf den Originalbefund gestaltet. Zeitgleich mit dieser Baumaßnahme erfolgte eine Erweiterung der Sakristei.

 

Orgel

Für eine Orgel wurden im Herbst 1922 die ersten Angebote eingeholt. Nach Begutachtung durch den Würzburger Domkapellmeister Johann Strubel wurde schließlich ein Instrument aus der Werkstatt der renommierten Münchner Firma Willibald Siemann bestellt. Das Werk enthielt 19 selbständige Register und 2 kombinierte Stimmen. Klanglich präsentierte sich die Orgel noch ganz im romantischen Gewand, wozu auch die pneumatische Steuerung der Ventile für Register und Töne paßte.

Wies das erste Angebot noch eine Millionensumme als Anschaffungspreis aus, wurde im Vertrag gleich der Dollarkurs als Sicherung gegen die Inflation benutzt, wonach die Orgel 1924 etwa 2 325 Dollar gekostet hat.

Im Juni 1924 begann der Aufbau der Orgel. Von Anfang an war sie mit einem elektrischen Gebläse ausgestattet, doch erinnern sich heute noch viele ehemalige Ministranten an das Bälgetreten bei Stromausfall. Johann Strubel bemängelt bereits in seinem Abnahmegutachten die Schwachstellen des Gebläses: „Dasselbe muß nicht bloß wegen des in der Kirche laut hörbaren Geräusches, sondern auch wegen des starken Luftzuges, der der Orgel schädlich ist, möglichst geschlossen werden. Auch sollte der Motor gut eingebaut und der Kasten durch Stoffteppiche abgedämpft werden. Leise Register konnte man vor lauter Geräusch kaum vernehmen, noch weniger in ihrer Intonation kontrollieren.“[11]

Allerdings scheint die Windversorgung allgemein nicht erstklassig gelöst gewesen zu sein, ergab doch der Test „beim Aufheben der Hände beim Spiel oder beim Anhalten einer einzelnen Taste einen unruhigen Ton. Bei vollen Akkorden war der Ton stark vibrierend. schuld daran sind die engen Räume über der Orgel, in dem sich die Tonmassen gegenseitig behindern, mehr aber der Motor, der nicht korrekt arbeitete.“[12]

Der Entwurf für den Prospekt (Frontseite) der Orgel stammt von Dominikus Böhm und sieht einen frei vor dem Gehäuse stehenden Spieltisch mit Blickrichtung Altar vor.[13] Er nimmt überraschend wenig Bezug auf die vorgeblendete Architektur und berücksichtigt kaum die akustischen Erfordernisse. Während sich der Gutachter Strubel über die Arbeit der Orgelbauer lobend äußert, hat er für die Konstruktion der Empore keine guten Worte übrig: „Es ist aber beim Einbau der Empore auf die Orgel gar keine Rücksicht genommen worden. Das war ein Fehler seitens des Architekten. Die geringe Höhe bis zur Decke und die ganze Raumeinteilung ist der Akustik äußerst ungünstig. Viele Pfeifen mußten gekröpft werden, andere stehen zu eng beisammen – kurz man wird der Orgel nicht froh. Dieselbe Orgel von demselben Meister gebaut, die im nahen Johannesberg steht, wirkt wegen der schönen Aufstellung und der guten Akustik ganz günstig. So müßte auch in Dettingen die Wirkung sein.“[14] In seinem Begleitschreiben bedauert Strubel nochmals die „unbegreifliche Anlage des Orgelraumes. Es war gut, daß der Architekt bei der Prüfung nicht da war und auch der Herr Pfarrer, der solches zuließ. An den Störungen trägt nicht Siemann die Schuld, sondern der Architekt. Eilig muß beim Motor nachgeschaut werden, weil da etwas nicht stimmt in der Windversorgung. Die Orgel ist sehr schön, die Register gut intonirt, die Wirkung aber nicht befriedigend. Von Dettingen ging ich unbefriedigt fort, von Johannesberg war ich entzückt; eine günstige Orgel.“[15] Seine 25 Mark Gebühr und die Kosten für die Fahrkarte stiftet Strubel der Kirche.

Die ungünstige Aufstellung der Orgel und die Schäden, die an ihr durch in den Turmraum eindringendes Wasser entstanden waren, ließ bereits Bischof Julius Döpfner anläßlich seiner Visitation am 10. 9. 1953 den Neubau einer Orgel empfehlen. Pfarrer Wombacher entschloß sich dazu bereits kurz nach seinem Amtsantritt in Dettingen. Im Rahmen der umfangreichen Neukonzeption des Eingangsbereiches und der Empore wurde Gustav Weiß aus Zellingen mit dem Umbau der Orgel beauftragt. Bei den Plänen, die Weiß im Juli 1960 vorlegte, kann man – obwohl große Teile der Siemann-Orgel verwendet wurden – nicht mehr von einem „Umbau“ sprechen. Es entstand vielmehr ein neues Instrument, das in seinem Dispositionsaufbau mehr dem barocken Klangideal entsprach. Neben zehn Registern aus der alten Orgel wurden auch große Teile der Windladen wiederverwendet, die nun allerdings elektro-pneumatisch angesteuert wurden. Durch die Absenkung der Empore wurde mehr Platz für die Orgel geschaffen, was Möglichkeiten für eine neue Prospektgestaltung ließ. Die heute sichtbare Gliederung in vier gleichhohe Flachfelder und drei Spitztürme, die darüber hinausragen, paßt sich eleganter dem Architekturbefund an, als dies der Entwurf des Architekten selbst getan hatte.[16]

Im Sommer 1961 wurde die Siemann-Orgel abgebaut, die Empore abgebrochen und nach deren Umbau mit der Aufstellung der neuen Orgel begonnen. Mit ihren 26 klingenden Registern ist sie für den Kirchenraum großzügig dimensioniert und erlaubt farbige Registermischungen. Durch die Adaptierung der pneumatischen Anlage sind allerdings Schwächen und ein Mangel an Präzision in der Tonansprache vorprogrammiert. Auch die 1982 durchgeführte Überholung und gründliche Reinigung konnte hier keine Abhilfe schaffen. Zudem krankt das Instrument weiterhin an dem akustisch noch immer nicht voll befriedigenden Aufstellungsort.

 

Glocken

Die Glocken der Pfarrkirche wurden 1922 in der traditionsreichen thüringischen Glockenstadt Apolda gegossen. Die Glockengießerei Ulrich & Weule hatte sich zu dieser Zeit auf Stahlglocken spezialisiert und beispielsweise im gleichen Jahr wie das Dettinger Geläute auch die riesige St.-Petrus-Glocke für den Kölner Dom nach dem Vorbild der Erfurter „Gloriosa“ gegossen. Die drei Dettinger Glocken wiegen zusammen etwa 4,3 Tonnen. Warum in der Korrespondenz zwischen der Gießerei und der Kirchenverwaltung immer wieder die Rede von vier Glocken ist, ist fraglich.[17] Die große Glocke hängt in der Mitte des Turmes, hat einen Durchmesser von 169 cm und den Schlagton es’. Die kleine Glocke hängt rechts oberhalb der großen, hat 140 cm Durchmesser und klingt auf as’. Die mittlere Glocke schließlich, die man von der Straße aus läuten sehen kann, hat 120 cm Durchmesser und den Schlagton ges’. Es handelt sich somit um ein klassisches Dreiergeläute es–ges–as, das man auch als Te-Deum-Geläute bezeichnet, weil es den ersten Tönen dieses lateinischen Gesanges entspricht.

Ein solches Geläute aus drei Glocken läßt naturgemäß wenig Gestaltungsraum für eine Läuteordnung, an der auch unterschiedliche gottesdienstliche Anlässe erkennbar sein sollten. Früher war es in Dettingen noch möglich, anhand von Erst- und Wandlungsläuten den Sonntag vom Hochfest zu unterscheiden. Auch kannte man noch einen Unterschied zwischen Tauf- und Wandlungsglocke. Überdies würde ein sensibler Glöckner nicht versuchen, alle Glocken gleichzeitig einsetzen zu lassen, sondern würde das Geläute sich organisch und in Ruhe von der Höhe nach der Tiefe hin entwickeln lassen.[18] Naturgemäß braucht eine kleine Glocke weniger Zeit zum Einschwingen und ist früher hörbar als eine große. Dies läßt sich auch mit modernen Läutemaschinen wirkungsvoll nachahmen, wenn man die ersten Anschläge einer Glocke abwartet, bevor die nächstgrößere zugeschaltet wird. Ein Geläute, das nicht minutenlang gleichmäßig tönt, sondern dem An- und Ausläuten Raum läßt, wirkt darüber hinaus wesentlich interessanter.[19]

Da Stahlglocken einen materialbedingt härteren Klang haben als die traditionellen Bronzeglocken, wurden 1982 kleine Bronzeballen auf die Klöppel der beiden größeren Glocken aufgebracht. Bei der kleinsten Glocke wurde der zu schwere Klöppel ganz durch einen neuen aus Bronze ersetzt. Leider hat man weder damals noch im Rahmen der jüngsten Dachsanierung daran gedacht, die linke Schallluke analog den anderen zu verblenden. Der übermäßig direkte Klang hätte dadurch etwas abgefangen werden können. Stattdessen wurden dort und über dem Obergaden Nistkästen für Vögel angebracht, um den Lebensraum für Turmbewohner zu sichern.

Daß ursprünglich eine Kirchturmuhr vorgesehen war, belegt in Höhe der Glockenstube das bossierte Sandsteinfeld, das sich um die linke Turmecke herumzieht. Auch die Bohrungen für das Gestänge des Uhrwerks sind zu erkennen. Zwei Entwürfe von Dominikus Böhm für Zeiger und Zifferblatt fanden sich 2004 im Historischen Archiv der Stadt Köln.

 

Altarwidmungen

Böhm und Weber erklären in der Einweihungsschrift: „Die beiden Seitenaltäre sind Maria und Josef geweiht; der erste soll als Pieta mit den zwei Ampeln der Erinnerung der im Kriege 1914 bis 1918 gefallenen Söhne Dettingens gewidmet sein. Der bildnerische Schmuck der Altäre stammt wie auch die beiden Portalfiguren Peter und Paul von dem bekannten Frankfurter Bildhauer Paul Seiler, der seine Aufgabe in großzügiger Weise löste.“

Die heutige Gestalt der Seitenaltäre kann jedoch mit dem hier dargelegten Konzept nicht mehr viel gemein haben. Zum einen befand sich der der Marienaltar anfänglich im rechten Seitenschiff. Indizien auf einem Foto aus der Bauzeit dürften ferner dahingehend zu interpretieren sein, daß Seiler für die Seitenaltäre analog dem Apostelretabel am Hauptaltar jeweils eine in einem Dreieck mündende Relieftafel mit dem Motiv der Pieta und des hl. Josef anfertigte (s. Abb. S. 84). Die beiden Ampeln, die inzwischen auch verloren gegangen sind, laut Rechnung mit roten Gläsern versehen waren und der Form der Ewiglichtampel entsprochen haben, deuten später noch auf einen Gedächtnisort für die Gefallenen hin. Reinhold Ewalds Terracotta-Figur der Gottesmutter, einer seiner ersten bildhauerischen Versuche, fand jedenfalls schon bald zwischen ihnen ihren Platz am rechten Seitenaltar. Eine Krone auf dem Haupt verweist Maria auf ihren Sohn, der, die Linke (!) wie zum Segen erhoben, in den Gemeinderaum blickt. Durch die Verbringung der Statue an den linken Seitenaltar wurde eine leichte Drehung nötig; das Jesuskind blickt nun nur noch ins linke Seitenschiff und wendet sich von der Gemeinde ab. Gleichzeitig haben Maria und Jesus jeweils einen Nimbus erhalten, während die originale Krone verloren ging. [20]

Für den rechten Seitenaltar fertigt die Würzburger Bildhauerin Hede Rügemer im Jahre 1930 die Figur des hl. Josef. Nach einigen Kontroversen zwischen dem bischöflichen Ordinariat wird die Aufstellung erst am im September 1932 genehmigt. Die Auseinandersetzung steht vermutlich im Zusammenhang mit der ablehnenden Haltung der Würzburger Behörde zum Apostelaltar sowie weiteren Ausstattungsgegenständen und der Malerei. Hede Rügemer fertigt 1933 auch die Schnitzereien für die vier Tabernakeltüren, die beiden Kruzifixe sowie acht Leuchter,[21] von denen seit den 1970er Jahren nurmehr sechs vorhanden sind. Die ursprüngliche Verblendung der Leuchterbank, die – entsprechend dem christozentrischen Konzept – keine Tabernakel für die Seitenaltäre vorgesehen hatte und in ihrer Ornamentik noch im Jugendstil verhaftet gewesen war, verschwand.

Neue Details und einen Rekonstruktionvorschlag für den Apostelaltar enthält die Broschüre «Altäre in Dettingen».

 

Heiligenfiguren

Im Zusammenhang mit dem Figurenprogramm der Altäre wurde auch der Kirchenraum selbst durch Andachtsbilder bereichert. Der Steinheimer Bildhauer Wohlfahrt renovierte 1931 die barocken Statuen der hll. Katharina und Barbara aus der St.-Hippolyt-Kirche (es ist mehr als fraglich, ob sich diese je dort befunden haben). Katharina mit dem Rad als Zeichen ihres Martyriums befindet sich heute wieder am hinteren linken Pfeiler, während Barbara, einen Turm zu ihren Füßen, die Märtyrerpalme und den Kelch als Sinnbild der Kommunionvermahnung in ihren Händen noch im Heimatmuseum aufbewahrt wird. Inzwischen befinden sich beide Stauen im Heimatmuseum. Der gleiche Künstler schnitzte später (1937) auch die Statue des hl. Wendelin, des Patrons der Bauern und Hirten.[22] Ferner stammen der Auferstehungsheiland und die Figurengruppe «Flucht nach Ägypten» (beide 1938) aus seiner Werkstatt.

Die Figuren des Konrad von Parzham und der Theresia von Lisieux wurden 1934/35 von Hede Rügemer geschaffen. Ihre Konsolen fertigte der Dettinger Schreiner Jakob Merget. Beide Heilige waren in dieser Zeit sehr populär. Bruder Konrad war im Mai 1934 heiliggesprochen worden. Als Pförtner des Altöttinger Kapuzinerklosters hatte er für Wallfahrer, Arme oder Kinder immer ein gutes Wort oder ein Stück Brot. Schlüssel, Buch und Brot sind daher seine Attribute. Die kleine Therese war Karmelitin und wurde 1925 heiliggesprochen. Ihr Attribut leitet sich von ihrem Versprechen ab, nach ihrem Tod vom Himmel aus Rosen auf die Erde zu streuen.

Der hl. Aloisius von Gonzaga starb 1591 im Alter von 23 Jahren bei der Pflege von Pestkranken. Obwohl bereits 1726 heiliggesprochen, wurde er 1926 als Patron der Jugend wieder in Erinnerung gerufen. Daher ist die Statue dieses Heiligen auch den Kinderbänken im vorderen Bereich der Kirche zugeordnet. Eine Lilie, die er ursprünglich als Symbol jugendlicher Reinheit in seinen Händen trug, ist verloren gegangen. Der Künstler konnte bislang nicht ermittelt werden. Es handelt sich laut Rechnung im Pfarrarchiv ebenfalls um Heinrich Wohlfahrt, der die Statue 1936 lieferte.

Gleiches gilt für die Figur des hl. Antonius, der, im Volk stets hochverehrt, an einem der Pfeiler links seinen Platz gefunden hat. Sie wurde ausweislich der Signatur im Sockelbereich 1939 von Heinrich Wohlfahrt geschaffen.

Der Herz-Jesu-Verehrung wurde zeitweilig durch ein eigenes Andachtsbild unter der rechten Chorschräge Rechnung getragen. Vermutlich hat der Steinheimer Bildhauer Wohlfahrt die dort aufgestellte Statue „vollständig umgearbeitet und polygramiert“.[23] Eine dezentere Arbeit befindet sich heute an einem der rechten Pfeiler. Dem realen Befund und historischen Fotos nach gab/gibt es mindstens drei verschiedene Herz-Jesu-Figuren, von denen zwei erhalten sind.

Wechselnde Aufstellungen der Figuren lassen sich anhand von Fotos nachvollziehen. Einzig die Position des hl. Aloisius scheint durch alle Jahre konstant geblieben zu sein.

Die „Säulenheiligen“ können nicht im Sinne der Architekten gewesen sein, versuchten sie doch mittels der dünnen Stützen im Innern „einen freien Blick auf den Hochaltar zu gewährleisten und andererseits das Leichte, Schwebende des Innenraumes nicht zu stören.“[24] Andererseits ließen Malerei und Architektur keine anderen Plätze für Andachtsbilder zu. Daß die Figuren als solche geschaffen wurden, zeigen die Ablagen an den Pfeilern, auf denen Kerzen und Blumen zu Füßen der Heiligen aufgestellt werden konnten. Eine solche „Dezentralisierung der Frömmigkeitsübungen“ läuft selbstverständlich auch dem christozentrischen Konzept vom Einheitsraum zuwider. Auch heutiges Liturgieverständnis würde private Verehrung eher in Nebenräumen ansiedeln.

Sinnvollerweise kehrten die Figuren 2005 nach der Restaurierung der Raumschale nicht wieder an die Pfeiler zurück, was den Raumeindruck ungemein beruhigt. Sie sind heute – wenig glücklich – in der linken Beichtkapelle angebracht. Die originalen Konsolen sind verloren und wurden durch schlichte Bretter ersetzt.

 

Beleuchtung

Zur Zeit der Einweihung waren die kleinen Obergadenfenster sowie die langestreckten Chorfenster nur mit schlichtem Glas versehen. Erst 1935 wurden die farbigen Fenster von der Firma G. Deppen & Söhne in Osnabrück nach Entwürfen Dominikus Böhms gefertigt. 1991 wurde an den Fenstern eine intensive Renovierungsmaßnahme durchgeführt.

Böhm und Weber stellen in der Denkschrift zur Einweihung fest, daß die gesamte Inneneinrichtung, darunter auch die Beleuchtungskörper, nach ihren Plänen gefertigt wurde. Diesem Entwurf entsprechend, liefert die Frankfurter Firma Zimmermann 17 Glasballons.[25] Diese wurden bereits in den dreißiger Jahren durch bienenkorbförmige Glasstürze ersetzt. Da zerbrochene Lampenschirme nicht mehr ausgewechselt werden konnten, erfolgte Anfang der neunziger Jahre eine Umstellung auf Energiesparlampen, die ihrer Form nach den ursprünglichen Leuchten nahekamen. Die Lampen, die seit 1997 stärkeres Licht spenden, sind im Raum allerdings eher störend. Bereits 1979 hatten Fachleute darauf hingewiesen, daß „eine allzu intensive Ausleuchtung den Raumeindruck bei Dunkelheit nachteilig verändern kann“ und empfohlen, keine Veränderung an den Leuchten vorzunehmen, sondern zusätzliche verdeckte Strahler zu installieren, sei doch „in diesem delikaten Innenraum … auch bei der Frage der Beleuchtung äußerste Sorgfalt geboten.“[26]

Die große Ewiglichtampel (s. Abb. S. 111), die früher rechts im Chorraum hing, wurde in der Inflationszeit für den Betrag von knapp zwei Millionen Mark angeschafft. Das Licht wurde mit Strom betrieben, was möglicherweise Grund dafür war, daß sie einem kleinen Öllicht am rechten Chorpfeiler weichen mußte. Schwer beschädigt ist sie erhalten geblieben und könnte nach ihrer Instandsetzung im Rahmen einer Neuordnung des Altarraumes wieder angebracht werden. Leider verlor sich ihre Spur etwa 2015 in einem Gartenhaus an der Hörsteiner Straße.

 

Nachkonziliare Neuordnung

Die baulichen Veränderungen im Zuge der Liturgiereform beschränkten sich fast ausschließlich auf den Altarraum. Einzig die Kanzel, die zu dieser Zeit entfernt wurde, befand sich links zwischen den beiden vorderen Pfeilern. Noch heute gibt der Fußbodenbelag über ihren Standort Auskunft. Überhaupt ist der Belag aus gelbem Jura erst später – zwischen 1948 und 1961 – eingebracht worden. Das ursprüngliche Bodenmaterial waren Ziegelsteine, die in einem parkettähnlichen Muster verlegt worden waren.

Im Zuge der Umgestaltung im Oktober 1971 wurde der Altarraum mit Sandsteinplatten ausgelegt und die Altarstufen, die anfänglich auch aus Ziegel bestanden bis an die Chorschranke vorgezogen. Die dortige Kommunionbank mit dem typischen Rautenmuster, das Böhm übrigens auch bei Möbeln des Pfarrhauses wieder aufgriff, wurde entfernt.

Die neuen Ausstattungsstücke, Altar, Ambo, Vorstehersitz, Tabernakel, Kredenz und Osterleuchter wurden von Alois Hommrich angefertigt. Der Altar zeigt an seiner Stirnseite zwölf Flammen, die sich um das Christusmonogramm gruppieren und greift damit die Motivik des Apostelaltars auf. Trauben und Ähren als eucharistische Symbole zieren die Vorderseite, je sieben Schalen für die Gaben des Heiligen Geistes und die Werke der Barmherzigkeit die Rückseite des Stipes. Das Wappenfries zeigt neben dem Dettinger Wappen und dem fränkischen Rechen die der seinerzeitigen Bischöfe von Würzburg, Josef Stangl und Alfons Kempf. Das Caritaskreuz, das Gitter, das für Strafgefangene und die Steine, die für Nichtseßhafte steht, verweisen auf das Arbeitsfeld des Gestalters im diözesanen Caritasverband. Der Ambo zeigt die etwas unglücklich verzerrte Geisttaube, die Gesetzestafeln und Weinkrüge. Der Tabernakel wurde unverändert vom Hochaltar genommen und in Kupferblech gekleidet, das im Lindig-Wald auf Eichenrinde gehämmert wurde. Priestersitz und Kredenz sowie auch der Ambo zeigen das Dettinger Kreuz, den bekannten Schlußstein aus dem Choranbau in St. Hippolyt. Die Gestaltung des Osterleuchters lehnt sich stark an den Taufstein an und zeigt symbolische Mosaiken für Weihnachten, Ostern und Taufe. Später kamen weitere Ausstattungsstücke ähnlicher Manier hinzu: ein Siebenarmleuchter (1977), ein Aussetzungsthron, ein Gabentisch, Vasen und Leuchter.

Trotz ihrer inneren Bezüge zu Bestehendem werden die Arbeiten im Raum „als Fremdkörper“ wahrgenommen. „Besonders der Sakramentstabernakel am linken Chorpfeiler ist für die Raumwirkung problematisch. Überhaupt macht der Chorraum in seinem jetzigen Zustand einen etwas ungeordnet vollgestellten Eindruck.“ [27] Nur wenig besser wäre sicherlich der Raumeindruck, wenn bei der Neuordnung die Pläne des bischöflichen Bauamtes berücksichtigt worden wären, da die Neusituierung von liturgischen Handlungsorten in einem auf die alte Altarstelle zentrierten Raum stets architekturprogrammatische Probleme aufwirft (s. Abb. S. 87 und 176).

 

Taufkapelle

Im Rahmen der Veränderungen in 75 Jahren ist schließlich auf Baumaßnahmen hinzuweisen, die nie verwirklicht wurden: die Errichtung einer Taufkapelle und die Aufstockung des Turmes. Die ersten Pläne für die Kirche sahen eine Taufkapelle als Rundbau rechts des Chorraums vor, mit diesem durch einen niederen Gang verbunden (s. Abb. S. 67). Sie kam wegen Geldmangels nicht zur Ausführung. Gleichwohl hat Böhm 1924 Pläne für ein Taufbecken aus Sandstein gefertigt.[28] Ob der Taufbrunnen aus Schmiedeeisen und Kupfer, der erst 1934 entstand, auf diese Pläne zurückgeht, ist ungewiß. [29]

1938 wurde ein weiterer Versuch unternommen, die Kirche um eine Taufkapelle zu erweitern. Die neuen Pläne Böhms sahen nun den Anbau an der rechten Beichtkapelle vor. Wieder war ein Rundbau mit dem Maß von 5,5 Metern als Durchmesser und Raumhöhe geplant. Die beiden Beichtstühle wären dann in den Verbindungsgang versetzt worden. Bis 1961 standen die von Frau Emma Hübner aus den USA gestifteten Beichtstühle überdies parallel zu den Bankreihen unter der Empore. Erst nach deren Umbau erhielten sie die heutige Ausrichtung an den Seitenwänden.

Gleichzeitig mit dem Anbau der Taufkapelle sollte der Turm um fünf Meter erhöht und fast bis zur Straße vorgezogen werden. Ein Foyer hätte sich unter den Portalbögen ergeben. Die Pläne wurden staatlicherseits mit Hinweis auf den Krieg jedoch abgelehnt.[30]

Auf die seinerzeitigen Planungen wurde nochmals im Rahmen der Diskussion um den Pfarrheimneubau in unmittelbarer Nähe der Kirche hingewiesen. Ein Rundbau – wenn auch in anderer Funktion – hätte einen „wohltuenden Gegensatz zu den kubischen Maßen des Gebäudes“ dargestellt – so Böhm in seinem Erläuterungsbericht – und wäre eine Bereicherung für die Gesamtanlage gewesen.[31] Bereits in seinem Bebauungsplan für die unmittelbare Umgebung der Kirche aus dem Jahr 1925 sah Böhm einen solchen Rundbau vor (s. Abb. S. 172). Die Verwirklichung dieser Pläne ist mit dem Bau des Pfarrheims unmöglich geworden. Aufgetragen bleibt hingegen die Gestaltung des Kirchenvorplatzes und der unmittelbar angrenzenden Straßenzüge.

 

Krippe

Bei der Krippe handelt es sich um eine hochwertige Arbeit aus Oberammergau. Die Figuren aus Lindenholz sind etwa 40 cm hoch und farbig gefaßt. Seit 1928 wurde die Gestaltung von Erhard, später von Bertold und Jürgen Hofmann übernommen. Karl Huth fertigte die illusionistische Landschaftsmalerei als Hintergrund. Zunächst auf einem der Seitenaltäre aufgestellt, war der Platz der Krippe über viele Jahrzehnte hinweg der linke Nebenraum im Chor. Dieser Raum ließ große Gestaltungsmöglichkeiten für eine anspruchsvolle Landschaftskrippe.

Seit dieser Raum als Beichtzimmer genutzt wird, befindet sich die Krippe etwas unglücklich in der linken Beichtkapelle. Die Gestaltung wurde auf die Geburtsszene und die Huldigung durch die Weisen aus dem Morgenland reduziert. Die Darstellung des Herrn im Tempel und die Flucht nach Ägypten werden nicht mehr aufgebaut. Seit etlichen Jahren wird die Krippe nun von älteren und ehemaligen Ministranten gestaltet, die an Weihnachten 1992 Schlagzeilen durch eine provokante Krippenszene auslösten. Gerne gesucht wird auch der alljährlich an anderer Stelle versteckte Osterhase, der darauf verweist, daß Krippe und Kreuz aus gleichem Holz geschnitzt sind.

Lange hatte man Schwierigkeiten, sich den Blick für diesen Zusammenhang zu bewahren und verhüllte das Golgota-Geschehen des Hochaltarbildes in der Weihnachtszeit durch ein von hinten beleuchtbares Konstrukt aus Verdunklungspapier mit ausgesparten goldenen Sternen. Dieser Brauch wurde vermutlich bereits von Pfarrer Roeser abgeschafft. Daß vor einigen Jahren wieder eine „Verhüllung“ durch einen monumentalen Christbaum eingesetzt hat, ist bedauerlich. Ebenso unzweckmäßig ist das Aufhängen eines sogenannten Hungertuches über dem Apostelaltar. Gerade das Kreuzesgeschehen sollte in der vorösterlichen Zeit unverstellt in den Blick genommen werden können.

 

Dach

Zuletzt 1997 wurde der Gesamteindruck der Kirche nachhaltig verändert. Ein neuralgischer Punkt bei vielen großen Bauwerken ist das Dach. Immer wieder drang auch in die Dettinger Kirche Wasser ein, vor allem im Turmbereich, und beschädigte Fresken und Orgel. Alle bisherigen Abdichtungsversuche schlugen fehl. Zudem isolierte das Dach weder gegen Wärme noch gegen Kälte.

Aus all diesen Gründen entschloß man sich zu einer umfassenden Maßnahme und überzog die gesamte Dachfläche mit oxidiertem Kupfer. Während das Grün der Dachflächen zwar etwas gewöhnungsbedürftig erscheint, andererseits aber einen reizvollen Farbkontrast zum roten Mainsandstein des Mauerwerks bildet, ist die entstandene grüne Zinnenkrone am Turm unglücklich. Die Waagrechtenbetonung, die durch den Farbwechsel entsteht, läßt den Turm noch gedrückter erscheinen. Die Umhüllung der Fialen am Chorschluß und auf dem Turm lassen sie wie Zierrat und nicht wie organische Architekturelemente erscheinen.

 

Die Veränderungen, die die Peter-und-Paul-Kirche in den vergangenen 75 Jahren erfahren hat, sollten hier keineswegs einseitig als Vergehen im Sinne des Denkmalschutzes dargestellt werden. Vielmehr sind sie zumeist Reaktionen auf praktische und liturgische Bedürfnisse und daher immer auch unter dem Blickwinkel der Pastoral zu sehen. Auch Kirchenräume sind nicht für die Ewigkeit geschaffen – in unserer kurzlebigen Zeit schon gar nicht. Aber es sind nicht Mauern und Dächer, es ist der Raum dazwischen, der zum Leben dient. Die Verwalter, die Gemeinde und die Sachverständigen sind aufgerufen, Räume in Übereinstimmung mit dem Glauben ihrer Väter und Mütter zu gestalten, die Kirche zu einem Haus aus lebendigen Steinen zu machen.


Anmerkungen

1 Rg. vom 28. 11. 1928 Friedrich Schadler.

2 Dieter Berchem, Restauratorische Voruntersuchung vom August 1997.

3 Dachverschalung und -balken behielten die Ocker-Färbung vermutlich bis 1961.

4 Allerdings quittiert Ewald noch am 1. 4. 1927 eine Zahlung von 1380 Mark als Abschlag für die Ausmalung.

5 Einige Bänke von 1923 haben sich noch in St. Hippolyt erhalten. Seit der Restaurierung dort sind auch diese verloren. Ein Foto (ca. 1927) des Innenraums der Pfarrkirche aus dem Diözesanarchiv Würzburg zeigt die Böhmschen Bänke jedoch in einem helleren Farbton. Möglicherweise bekamen sie die dunkle Beize erst im Rahmen ihrer Umsetzung nach St. Hippolyt, um sie dem dortigen historischen Bestand anzugleichen. Das genannte Foto zeigt das linke Seitenschiff der Pfarrkirche übrigens bestuhlt mit Bänken aus der Hippolytkirche.

6 Spätestens seit den Kriegszerstörungen fehlen die Löwenköpfe in Neu-Ulm. (Mitteilung von Stadtpfarrer Manfred Gromer vom 20. 1. 1998) Es ließe sich durchaus auch bereits eine frühere Transferierung annehmen. Auch die gleichzeitige Herstellung von Ausstattungsgegenständen ist nicht ungewöhnlich. Beispiel hierfür ist die Ewiglichtampel aus Martin Webers Frankfurter St.-Bonifatius-Kirche. Ein identisches Exemplar befand sich bis 1957 im Chorraum der von Dominikus Böhm umgebauten Großwelzheimer Pfarrkirche (s. Abb. S. 34 und 142).

7 Die beiden Eingangstüren befinden sich bis heute in einem Abstellraum.

8 Kommunionbank und Emporenbrüstung waren in gleicher Weise gestaltet. Heute ist dieses Muster noch an den Fenstern unter der Empore und in vereinfachter Form an den Beichtstuhlfenstern zu erkennen.

9 Dabei handelt es sich bei einem der beiden Köpfe um einen Abguß, da zwar bis in die achtziger Jahre hinein zwar noch beide worhanden waren, 1988 aber nur noch einer aufgefunden werden konnte.

10 Dominikus Böhm / Martin Weber, Der Bau und seine innere Ausgestaltung, im vorl. Bd.

11 Johann Strubel, Gutachten über die neue Orgel in der kath. Pfarrkirche zu Dettingen vom 20. 10. 1924 (Pfarrarchiv Dettingen, Akte Orgel).

12 Ebd.

13 Dominikus Böhm, Skizze zu einer Orgel vom 15. 3. 1924 (Pfarrarchiv Dettingen, Akte Orgel)

14 Strubel, Gutachten. Die Siemann-Orgel in Johannesberg ist 1998 einer Renovierung unterzogen worden. Dabei konnten zwischenzeitlich veränderte Teile wieder in den Originalzustand des Jahres 1924 versetzt werden. Die Dettinger Orgel muß diesem Instrument sehr ähnlich gewesen sein.

15 Johann Strubel, Begleitschreiben zum Orgelgutachten (Pfarrarchiv Dettingen, Akte Orgel).

16 Entwurf vermutlich von Gustav Weiß. Kurze Beschreibung und Abbildung bei, Hermann Fischer / Theodor Wohnhaas, Zur Ästhetik der Freipfeifenprospekte, in: Alfred Reichling (Hg.), Aspekte der Orgelbewegung, Kassel 1995, 183–218: 188, 207, dort aber in der fälschlichen Annahme, es handle sich noch um das Orgelwerk Siemanns.

17 „Da wir nun noch immer nicht wissen, ob die Glocken je 2 und 2 übereinandergehängt oder alle 4 nebeneinandergehängt werden, ist es uns auch unmöglich, die Länge der eisernen Joche anzugeben“ Fa. Ulrich & Weule, Brief an die kath. Kirchenverwaltung Dettingen vom 21. 12. 1922 (Pfarrarchiv Dettingen, Akte Glocken). Daß die vierte Glocke für St. Hippolyt gegossen wurde, ist auszuschließen. Ersatz für die im Krieg abgelieferte Glocke (95 cm Durchmesser, 1882 in Windecken gegossen) wurde bereits 1919/20 beschafft. Eine nicht näher belegte Zusammenstellung der Glockendaten im Pfarrarchiv weist für die Jahre 1919 und 1920 insgesamt vier Neuanschaffungen von Glocken aus, darunter auch zwei aus Apolda.

18 „Auch beim Ausläuten muß jeweils die größte Glocke, auf der ja das Geläute musikalisch aufbaut, das letzte Wort haben.“ Hans Rolli, Liturgie und Läuteordnung nach dem Zweiten Vaticanum, in: Glocken in Geschichte und Gegenwart. Beiträge zur Glockenkunde, Karlsruhe 1986, 35–39: 38. Im genannten Band finden sich auch Anregungen für Läuteordnungen.

19 Hinzu kommt, daß durch die Umkehrung der Einsatzfolge bestimmte Anlässe – etwa Advents- und Fastenzeit oder Totengottesdienste – markiert werden können.

20 1934 befestigt Alois Scherer den Nimbus für Maria und das Jesuskind. (Rg. 31. 12. 1934)

21 Rg. vom 20. 3. 1933 Hede Rügemer, Würzburg: 4 Altartürflügel Schnitzerei und Vergoldung. Im Januar waren die beiden Kruzifixe (Messing versilbert) und die acht Leuchter bereits fertig und wurden in der Würzburger Otto-Richter-Halle ausgestellt. Hede Rügemer, Brief an Pfarrer Hugo Dümler vom 9. 1. 1933 (Pfarrarchiv Dettingen).

22 Rg. vom 23. 10. 1937 H. Wohlfahrt, Steinheim: Hl. Wendelin mit Konsole 370 Mk. Formale Beobachtungen legen nahe, Wohlfart auch als Schöpfer der Pieta im Eingangsbereich der Kirche anzunehmen. Dies ist durch die Signatur an der Rückseite des Sockels inzwischen gesichert. Sie entstand 1940. Wohlfahrt arbeitete übrigens auch für die Böhmkirche in Großwelzheim. dort fertigte er zwei Büsten (Bonifatius und Herz-Jesu 1941) sowie das monumentale Kruzifix an der Altarwand.

23 Rg. vom 14. 11. 1931 H. Wohlfahrt, Steinheim.

24 Dominikus Böhm / Martin Weber, Der Bau und seine innere Ausgestaltung, im vorl. Bd. 11.

25 Rg. vom 25. 6. 1923 von Chr. Zimmermann, Frankfurt, Beleuchtungskörper: 17 Glasballons.

26 Jürgen Julier, Aktenvermerk vom 9. 7. 1979 (Pfarrarchiv Dettingen).

27 Ebd.

28 Dominikus Böhm, Brief an Pfarrer Hugo Dümler vom 21. 3. 1924. Die heute nicht mehr erhaltenen Pläne erwähnt Böhm als Anlage zu seinem Brief. Auch eine Ausführung in Beton mit farbiger Fassung (wie bei der Kanzel) ist für ihn denkbar.

29 Rg. vom 31. 12. 1934 Alois Scherer, Dettingen: Taufbrunnen 287 Mark. Scherer fertigte im folgenden Jahr auch das Sakristeigeläute.

„Für die Kriegsdauer sehe ich allgemein davon ab, Bauvorhaben in schönheitlicher Beziehung zu genehmigen. Ich stelle anheim, die Verhandlungen zu gegebener Zeit wieder aufzunehmen.“ Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Brief an den Regierungspräsidenten in Würzburg vom 6. 4. 1940.

31 Dominikus Böhm, Erläuterungsbericht zur Vergrößerung des Turmes und zum Anbau einer Taufkapelle vom 17. 5. 1938.


publiziert in:
Michael Pfeifer (Hg.): Sehnsucht des Raumes, Regensburg 1998, S. 69–78